Vortrags-Reportage: Das Karussell im Kopf

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Wenn wir nicht mehr wissen, wo uns der Kopf steht

„Ich weiss nicht mehr, wo mir der Kopf steht“ - jede/r von uns kennt diesen Spruch und das ihm zugrundeliegende Gefühl, überlastet und überfordert zu sein. Der Begriff Burnout ist in unserer hektischen, fordernden Welt nahezu allgegenwärtig und immer mehr Menschen fühlen sich einem konstantem Druck ausgesetzt, zu leisten und zu “funktionieren”. Körper und Seele sind engstens miteinander verbunden und wenn wir unsere internen Batterien permanent leeren, ohne sie wieder aufzuladen, müssen wir mit (oftmals ernsten) Konsequenzen rechnen.

Im Rahmen des Kirchbergvital Vortrags von Dr. Peter Gungl und Mag. Bernd Fink am 5.11.2019 wurden diese Zusammenhänge verständlich gemacht und man widmete sich der Frage, wie wir uns selbst helfen können, wenn sich das “Karussell im Kopf” plötzlich viel zu schnell dreht.

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"Geh du vor", sagt die Seele zum Körper, "auf mich hört er ja nicht. Vielleicht hört er auf dich."

"Ich werd ganz einfach krank, dann wird er Zeit für dich haben." - sagt der Körper zur Seele.

 

Part I - Dr. Peter Gungl

Human Resources - der Mensch als Rohstoff

Immer öfter trifft man heute auf den Begriff “Human Resources” - der Mensch, ein Rohstofflager, das wir ohne Rücksicht auf Verluste plündern können? Gerade junge Menschen sind bereit, Unglaubliches zu leisten, um sich eine Existenz aufzubauen: die Karriere-Leiter soll erklommen, ein Haus soll gebaut und die perfekte Familie soll gegründet werden - und am besten gleichzeitig, denn mit 30 gehört man ja schon zum “alten Eisen”. Doch permanente Belastungen im Arbeits- und Familien-Alltag wirken sich über kurz oder lang auf die innere Balance aus und irgendwann kommt der Zeitpunk, an dem nichts mehr geht.

Wenn der Körper sich wehrt

Tag für Tag warten unzählige berufliche und private Anforderungen auf uns und wir fühlen uns dazu verpflichtet, ihnen so gut wie möglich gerecht zu werden. Ausartende To-Do-Listen und stetig wachsende Berge an Pflichten werden zur Normalität. Deshalb bleiben die ersten Signale unseres sich wehrenden Körpers oft unbemerkt und wir hören erst dann richtig hin, wenn sich unsere innere Batterie-Anzeige im roten Bereich befindet.

Auf welche Signale solle man achten?

Kopf- und Nackenschmerzen, Beklemmungsgefühle in der Brust, Kreuzweh, Bauchschmerzen, Darm- & Verdauungs-Probleme oder Gleichgewichtsstörungen & Schwindel sind subtile Anzeichen, die auf Überlastung und Überforderung hindeuten. Gerät das innere Gleichgewicht ins Wanken, beginnt es meist harmlos - man hat es mit funktionellen Beschwerden (wie zb. Schmerzen am Bewegungsapparat und Schwindel) oder somatoformen Beschwerden (Beschwerden ohne fassbaren Befund) zu tun. Doch ignoriert man diese ersten Anzeichen und geht der Ursache nicht auf den Grund, kann es erst zu organischen Erkrankungen (wie zb. Bandscheibenvorfällen, Infektionen, Bluthochdruck oder Herzerkrankungen) und letztendlich sogar zu destruktiven Leiden (wie Autoimmunerkrankungen, Krebs oder auch Selbstmord) kommen.

Prioritäten setzen

Anstatt all die Anforderungen und Pflichten, denen wir im Alltag ausgesetzt sind, blindlings zu erfüllen, sollten wir diese ordnen - was ist wirklich wichtig? Und was davon kommt zuerst?
Die “Maslowsche Bedürfnishierarchie” oder Bedürfnispyramide ist ein sozialpsychologisches Modell des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow, das menschliche Bedürfnisse und Motivationen auflistet, erklärt und nach Wichtigkeit sortiert (siehe Skizze).

Bedürfnispyramide (zum Vergrößern anklicken/antippen)

Die sogenannten Wachstumsbedürfnisse (Selbstverwirklichung und Selbsttranszendenz) rufen dabei die größten Glücksgefühle hervor: wenn wir unsere Talente & Fähigkeiten einsetzen und fördern können oder unsere Zeit in Dinge investieren, die größer sind, als wir selbst und einen positiven Effekt auf andere Menschen oder unsere Umwelt haben, sind wir am glücklichsten.

Was brauche ich wirklich?

Muss es immer “mehr”, immer “schneller” und immer “öfter” sein? Reicht nicht vielleicht auch “weniger”, “langsamer” und “seltener”? Bei allem, was wir tun, ein vernünftiges Maß anzulegen und den Dingen in unserem Leben die richtige Gewichtung zu geben ist von zentraler Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.

Vorsicht vor den "Optimierern"

Es kann ganz schön verlockend sein, Maßnahmen zu ergreifen, die uns (scheinbar) dabei helfen, immer mehr und mehr aus uns herauszuholen, immer mehr und mehr Leistung zu erbringen. “Optimierer” wie Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminsupplemente, Superfood, Aktivatoren & Stimulantien, Schmerzmittel, Einschlafhilfen, Alkohol und Antidepressiva sollten immer mit Bedacht eingesetzt werden. Grundsätzlich gilt es bei der Einnahme von Medikamenten zu hinterfragen, warum man diese einnimmt: behandle ich eine Erkrankung oder versuche ich, besser zu funktionieren, weil der auf mir lastende Druck so groß ist? Warum brauche ich dieses Hilfsmittel gerade jetzt? Stellt man sich dieser Frage, wird man unter Umständen zur Erkenntnis gelangen, dass das eigene Leben zu stressig geworden ist - und dass es ohne Hilfsmittel plötzlich nicht mehr geht.

 
 

Part II - Mag. Bernd Fink

Die fleissigen Funktionierer

Überforderung und Burnout, einst als “Manager-Krankheiten” definiert, haben längst Einzug ins Leben der Nicht-Manager gehalten. Betroffen sind vorwiegend Menschen, die übermäßig viel leisten und kaum Wertschätzung bekommen - zb. junge Mütter, junge Häuslbauer oder pflegende Angehörige sowie die “fleissigen Funktionierer”, die einfach nicht “nein” sagen können. Wenn die eigenen Bedürfnisse einmal auf der Strecke bleiben und die Verpflichtungen überhand nehmen, kann es schneller als man denkt passieren, dass man sich völlig überfordert fühlt - zahlreiche Umstände können dazu beitragen und das sprichwörtliche Fass somit zum Überlaufen bringen.

Ebenso vielfältig sind die Warnsignale, die uns darauf aufmerksam machen, dass wir aus den letzten verfügbaren Speicher-Reserven schöpfen: sie reichen von kleinen Gereiztheiten und Schlaflosigkeit bis hin zu ernsthaften Erkrankungen wie Depression, Burnout, Hörsturz, Tinnitus oder Gastritis & Co. Frühe Anzeichen ernst zu nehmen ist dabei essentiell - wer frühzeitig reagiert, seinen Lebensstil hinterfragt und Veränderungen zielgerichtet umsetzt, kann schwerwiegenderen Erkrankungen vorbeugen. Dies ist allerdings leichter gesagt, als getan - unsere Erziehung, unsere Lebensumstände und die zahlreichen Erwartungen der Umwelt werden oft zu Stolpersteinen. Letztendlich ist eine Umstrukturierung und Neugestaltung unseres Lebensstils jedoch die stärkste Waffe im Kampf gegen Burnout & Co.

Eine medikamentöse Behandlung ist oft notwendig, sollte jedoch nur vorübergehender Natur sein. Medikamente sind “Krücken” - niemand sollte ewig damit durch’s Leben laufen wollen. Wie bei einem gebrochenen Fuß, der langsam aber sicher heilt, sollten wir auch im Falle von Stress-Beschwerden versuchen, unsere “Krücken” früher oder später wieder loszuwerden.

Ernährung und Bewegung

Es ist kein Geheimnis, dass wir mit Ernährung und Bewegung starken Einfluss auf unser Wohlbefinden nehmen können - das gilt auch im Falle von Stress und Überlastung. Ein Eingreifen ist beispielsweise mit einer gezielten Verteilung “schneller” und “langsamer” Nahrungsmittel möglich: “Schnelle” bzw. hochenergetische Lebensmittel wie Zucker gelangen sehr rasch ins Blut und ins Gehirn und heizen gestressten Menschen somit umso mehr ein. Vollkorn hingegen gilt als “langsames” Lebensmittel, da es Energie deutlich langsamer freisetzt. So kann man mit den richtigen Lebensmitteln - bzw. deren angemessener Verteilung über den Tag hinweg - sowie mit regelmäßigen Mahlzeiten & Essens-Ritualen die eigene Lebensgeschwindigkeit senken.
Kombiniert mit einem einfachen Bewegungsprogramm können wir Körper & Seele eine Menge Gutes tun: einerseits ist es wichtig, dass wir uns Zeit für uns selbst nehmen und das stressige Alltags-Geschehen hin und wieder hinter uns lassen. Andererseits aktiviert Bewegung das sogenannte parasympathische Nervensystem und fördert dadurch nicht nur den Stress-Abbau, sondern hilft uns auch bei der Regeneration.

 
Yin & Yang: Sympathikus & Parasympathikus
Unser vegetatives Nervensystem besteht aus zwei Teilen: dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Funktionell könnte man die beiden als Antagonisten bezeichnen, denn ihre Wirkungen auf die verschiedensten Organe sind meist gegensätzlich: Während der Sympathikus den Organismus auf eine Aktivitätssteigerung einstellt („fight or flight“), überwiegt der Parasympathikus in Ruhe- und Regenerationsphasen („rest and digest“). Quelle: viamedici.thieme.de

Der Sympathikus bereitet unseren Körper innerhalb von Sekundenbruchteilen auf die “Flucht” vor - das Herz schlägt schneller und kräftiger, der Blutdruck wird erhöht, die Muskeln werden stärker durchblutet, die Atmung wird verstärkt und die Bronchien weiten sich. All dies passiert, wenn unser Körper etwas als Gefahr identifiziert - in der Steinzeit war das zb. ein wildes Tier, heute sind es Stress und Leistungsdruck.
Der Parasympathikus sorgt dafür, dass wir uns in Ruhephasen bestmöglich regenerieren können und bildet somit das Yin zum Yang des Sympathikus. Ein gesundes vegetatives Nervensystem schafft einen möglichst optimalen Ausgleich zwischen Aktivierung und Entspannung und bereitet uns darauf vor, alltägliche Herausforderungen besser zu meistern.

Zu vegetativen Störungen kommt es, wenn sich Sympathikus und Parasympathikus "nicht eins" sind - wenn keine gesunde Ausbalancierung der beiden Nervensysteme vorliegt. Bei Faktoren wie seelischen Belastungen, Stress und Hektik greift der Körper zunächst auf seine inneren Reserven zurück. Wenn diese verbraucht sind und durch ein nicht ausbalanciertes vegetatives Nervensystem nicht mehr "aufgefüllt" werden, treten häufig Beschwerden und Erkrankungen auf. Quelle: klosterfrau.de
 

Wohlbefinden & Entspannung

Wenn wir wissen, dass wir zu viel gearbeitet und uns verausgabt haben, können wir mit Hilfe guter Gerüche mehr als nur unseren "Wohlfühl-Faktor" beeinflussen: Ätherische Öle haben eine klare stoffliche Wirkung. Sie werden über Nase, Atemwege und Haut aufgenommen und können uns in verschiedensten Situationen unterstützend zur Seite stehen.

"Jetzt is' so weit"

Erkrankungen wie Depressionen und Burnout sind ernst zu nehmen. Wenn uns alles zu viel wird und wir spüren, dass uns keine Energie-Reserven mehr zur Verfügung stehen, wenn einfachste Entscheidungen zu unüberwindbaren Problemen werden und sich die Gedanken im Kreis drehen (ein typisches Symptom der Depression), ist es an der Zeit, einzugreifen. Eine Änderung des Lebensstil und ein allgemeines Kürzertreten kann viel bewirken - wenn jedoch der Punkt kommt, an dem wir nicht mehr weiter wissen, sollten wir nicht zögern und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Seitens der Pharmazie kann bei Problemen wie Burnout und Depressionen mit Arzneistoffen ins Nervensystem eingegriffen werden, um unseren internen Speicher wieder aufzufüllen - dazu stehen uns sowohl synthetische als auch natürliche Substanzen (zb. das antidepressiv wirkende Johanniskraut) zur Verfügung. Siehe unten → "Aus der Pflanzenapotheke"

Q & A Session

Dr. Gungl und Mag. Fink stellen sich den Fragen der Anwesenden. Vielen Dank an unsere beiden Vortragenden für den informativen, lehrreichen, kurzweiligen und unterhaltsamen Abend sowie den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern für ihr reges Interesse!

 

Aus der Pflanzenapotheke

Genussmittel

Koffein
So lange das Koffein wirkt, wird dem Körper nicht mitgeteilt, dass eine Überlastung vorliegt - dadurch bleiben wir wach.
  • Pasta Guarana (20% Koffein)
  • Kaffee (ca. 3% Koffein)
  • Grüntee/Schwarztee (ca. 5% Koffein)
  • Matetee (ca. 1-2% Koffein)
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Arzneimittel

Stressadaptogene
Die folgenden Pflanzen können eingesetzt werden, um die Leistung des Körpers an die gegeben Erfordernisse anzupassen:
  • Ginseng
  • Taigawurzel
  • Rosenwurz
  • Aswhaganda
Angst & Spannungslöser
Dies hat die Natur bei Unruhe, Gereiztheit, Anspannung, Schlaflosigkeit und Depression zu bieten:
  • Passionsblume (angstlösend)
  • Baldrian (schlaffördernd)
  • Hopfen (beruhigend)
  • Johanniskraut (antidepressiv)

Für eine ausführliche Beratung besuche Mag. Fink und sein Team in der Apotheke St. Margarethen!
 

Video Playlist

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Vortrags-Tipp:

„Kräuter für unser Immunsystem“ - mit Mag. Bernd Fink

Mit pflanzlichen Mitteln fit gegen Viren & Co. - Hausmittel und Kräutertees richtig eingesetzt, halten gesund, auch in der kalten Jahreszeit!

Di 19. November | 15:00 Uhr | Zentrum Feldbach | Eintritt frei!